München/Traunstein. Die Diskussion um Herdenschutzmaßnahmen und Wolfsmanagement stößt bei den Bezirksalmbauern und Schafhaltern aus den Landkreisen Traunstein und Berchtesgadener auf scharfe Kritik.
Bei einem Gespräch im Gasthof Feldwies, Übersee, zu dem Landtagsabgeordneter Klaus Steiner eingeladen hatte, bezeichneten die Gesprächsteilnehmer, Vorschläge von Abgeordneten sowie Umwelt- und Tierschutzverbänden als praxisfremd und völlig unrealistisch. Irmi Guggenbichler, Sennerin auf der Hefter Alm: „Wir sind es leid, Leuten, die von Tierhaltung und Weidewirtschaft keine Ahnung haben, ständig klarmachen zu müssen, dass die Errichtung von Schutzzäunen, Schutzhunde oder Hirten - besonders in Bergregionen - nicht machbar ist. Unsere Almen sind ohnehin als nicht einzäunbar eingestuft. Es hilft nur eines: den Schutzstatus des Wolfes europaweit schnell zu reduzieren, ein verlässliches Meldesystem von Wolfssichtungen aufzubauen und Maßnahmen zu ergreifen, wie derzeit in der Schweiz oder Schweden zu ergreifen. Was hilft uns, die in der sogenannten Grassauer Resolution geforderte, zusätzliche Schaffung von Beratungsstellen, wenn sich in der Nacht Wölfe auf unseren Alben herumtreiben und die Herden in Panik versetzen. Da geht es um Fakten und nicht um die Frage von irgendwelchen Beratungen zu irgendwelcher Zeit.“
Die Forderung nach großflächiger Einzäunung zum Schutz von Schaf-, Rinderherden oder Pferden, sei völlig unrealistisch. Unabhängig davon, ob Zäune vom Staat gefördert werden oder nicht, würden wir unsere Landschaft und auch den Lebensraum für andere wildlebende Tiere zerschneiden. Zudem sei bei einer Zunahme der Wolfspopulation, was ja von verschiedenen Politikern und Naturschutzverbänden gewünscht werde, ein umfassender Schutz durch Zäune nicht möglich. Erfahrungen aus der Schweiz hätten gezeigt, dass selbst 2 Meter hohe Zäune von Wölfen überwunden werden. Dass Rinderherden oder Pferde auch innerhalb von Schutzzäunen in Panik geraten und ausbrechen, mit nicht vorhersehbaren Folgen, werde in dieser laienhaften Diskussion ohnehin nicht erkannt.
“Wollten wir ganze Regionen in Bayern, in denen der Wolf zukünftig Fuß fassen wird, wirklich mit diesen Zäunen, mit starker Stromspannung, einzäunen?“, fragte Stangassinger.
Willi Gstatter, Reit im Winkel, selbst von Wolfsrissen betroffen, erteilte Schutzzäunen ebenfalls eine klare Absage. Zum einen würden natürliche Wildwechsel zerschnitten, aber vor allen Dingen sei der Unterhalt schlichtweg nicht machbar und auch nicht finanzierbar, selbst wenn der Staat alle Kosten übernehmen würde. Solche Zäune müssten jeden Tag kontrolliert, ständig ausgemäht, von herabfallenden Ästen befreit und im Winter abgebaut werden. Das sei weder von Almbauern noch von anderen bäuerlichen Betrieben oder kleineren Schafhaltern leistbar. Hierfür Leute einzustellen, auch wenn sie vom Staat bezahlt würden, wie es anscheinend kürzlich in einer Landtagsdebatte gefordert worden ist, sei völlig realitätsfern.
Aus der Praxis der Schafhalter im Landkreis Traunstein berichtete Sepp Harbeck, als Vertreter der Schafhalter im Landkreis: „Die Diskussion um Herdenschutz geht an den Realitäten völlig vorbei. Ich habe meine Schafe auf 4 Standorte verteilt. Ich bräuchte also 4 wolfssichere Zäune, 4 Schutzhunde oder 4 Hirten und das alles bei einem kleinen Betrieb“. Wer solche Forderungen erhebe oder dies als Lösung gegen die zunehmende Wolfspopulation darstelle, habe entweder keine Ahnung oder die Tierhaltung, die Weidetierhaltung in unserer Region und in Bayern ist ihm egal. Er führte als Beispiel eine Förderung von Schutzmaßnahmen im Raum Rosenheim an, wo für 15 Schafe 50.000 aufgewendet wurden.
Ludwig Bödecker, Bezirksalmbauer in Ruhpolding, fehlen klare Aussagen und Bekenntnisse von Landkreisgemeinden und Tourismusverbänden. „Was bedeutet denn die Einführung von Herdenschutzhunden auf unseren Almen oder die Errichtung von umfassenden Schutzzäunen mit starker Stromleistung für den Tourismus, für die Wanderer? Herdenschutzhunde sind eine permanente Gefahr für Wanderer und an die Folgen von Stromschlägen werde nicht gedacht“. Die Forderung nach Einstellung von Hirten, wie sie kürzlich anscheinend im Bayerischen Landtag erhoben wurde, weil es im Chiemgau dafür angeblich viele Interessenten gebe, sei völlig absurd. Offensichtlich würden einige Akteure in der Diskussion das Ganze mit der bekannten „Auszeit auf der Alm“ verwechseln. Hirten müssten besonders in der Nacht unterwegs sein und es gibt schlicht und einfach keine Bewerber, die dies bei uns machen würden, auch wenn der Staat die Bezahlung übernehme.
Maria Schöberl vom Verband der Forstberechtigten im Chiemgau forderte eine Imagekampagne des Bauernverbandes und der Politik für die Almwirtschaft und die Weidetierhaltung. „Wir haben keine Lobby und jetzt diskutieren Politiker und selbsternannte Fachleute mit, die von Almwirtschaft und Weidetierhaltung keine Ahnung haben“. Von den Bekenntnissen bei den alljährlichen Hauptalmbegehungen könnten Almbauern nicht leben.
Klaus Steiner, schloss sich diesem Vorschlag an. Wir brauchen eine verbesserte Öffentlichkeitsarbeit, um zum einen die Bedeutung der Almwirtschaft und der Weidehaltung in Bayern noch stärker herauszustellen, aber zum anderen deutlich zu machen, welche Gefahr für die Weidehaltung bestehe, wenn die Wolfspopulation zunimmt. Die Diskussion um eine oft zitierte Koexistenz zwischen Weidetierhaltung und großen Beutegreifern, wie Wolf oder Bär, sei sehr oft vom Nichtwissen um die Zusammenhänge geprägt. Irritierend sei es, dass in entsprechenden Landtagsdebatten selbst Kolleginnen aus der Region diesen Irrtümern unterliegen und sich permanent weigern, die Praktiker, die Almbauern zu hören. Die Erfahrungen in der Schweiz würden zeigen, dass die Herdenschutzmaßnahmen bei der Zunahme der Wölfe auf ihre absolute Grenze stoßen. Wir müssen stärker herausstellen, dass eine umfassende Einzäunung von Gebieten, in denen der Wolf durch den massiven Schutz zukünftig verstärkt vorkommen wird, einfach auch ökologisch, durch die Zerschneidung der Lebensräume für Wildtiere oder Wanderwege, keine Lösung sei. wir müssen die Änderung des Schutzstatus des Wolfes auf europäischer Ebene und auf Bundesebene weiter mit Nachdruck verfolgen, alles andere sei Selbstbetrug. „Wir brauchen dazu einen Dialog mit der Natur- und Tierschutzverbänden“. Steiner kündigte dazu weitere Gesprächsrunden an.